Anne Quirynen & Sandra Schäfer
Tracing Echoes. From Westerwald to Rio Tinto

7. September – 20. Oktober 2024

Eröffnung:
06. September 2024, 19:00 Uhr

Fotomontage © Anne Quirynen und Sandra Schäfer | Grafik: Matteo Lisanti

»Tracing Echoes. From Westerwald to Rio Tinto« nimmt uns mit auf eine Zeitreise von der Industrialisierung über die digitale Revolution auf eine Suche nach den Spuren von Bildern aus der Vergangenheit, die bis heute nachklingen und in die Zukunft weisen: Bilder, die bereits existieren, Vorstellungen, die wir haben, und Abbildungen, die durch uns oder die Technik erzeugt werden.

In Videoarbeiten, Fotografien und analytischen Visualisierungen gehen Anne Quirynen und Sandra Schäfer der Frage nach, wie sich eine Region, ihre Landschaft, landwirtschaftliche und industrielle Nutzung im Laufe der Zeit verändert haben. Die multidisziplinären Arbeiten führen von den Minas de Riotinto, einer der ältesten Kupferminen der Welt in Spanien über den Westerwald, in dem August Sanders fotografisches Projekt »Menschen des 20. Jahrhunderts« seinen Anfang nahm, bis hin zum Planeten Mars.
Im Zusammenspiel von dokumentarischen und technisch bearbeiteten Bildern schaffen Quirynen und Schäfer in »Tracing Echoes. From Westerwald to Rio Tinto« eine visuelle Erzählung über den Einfluss von Technologie und Kapitalismus auf Landwirtschaft, Bergbau und Forschung sowie über deren Darstellungen. Zugleich verfolgen sie die subtilen Pfade verborgener Facetten von (Gender-)Ungleichheit, Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf körperliche Arbeit und Fragen nach sozialer Gerechtigkeit, die dabei zum Vorschein kommen.

Welche Spuren tragen die Landschaften von den Menschen, die dort leb(t)en? Durch welche Praktiken der Forschung, Nutzung und Besiedelung schreiben/schrieben sich die Menschen in diese ein? In welchem Verhältnis stehen industrielle Ausbeutung und wissenschaftliche Auswertung? Wie und worin resonieren die Landschaften in den Bildern nach, die es von ihnen gibt und die generiert werden? Welche realen Szenarien bilden sie ab und welche spekulativen Utopien legen sie offen?

Die Ausstellung wird kuratiert von Lena von Geyso

Anne Quirynen lebt und arbeitet als Künstlerin in Berlin. Sie arbeitet an der Schnittstelle von digitalem Bewegtbild, Installation, Musik und Tanz und beschäftigt sich mit der Medialisierung von Körper, Ökologie und queerfeministischen Praktiken. Seit ihren frühen Arbeiten verwendet sie digitale Effekte, um die Unbestimmtheit und Mehrdeutigkeiten von digitalen Bildern und Sounds zu thematisieren. Ihre aktuellen Arbeiten reflektieren ökologische Folgen von Rohstoffextraktion und daraus folgende soziale, historische und ästhetische Transformationen. Derzeit ist sie Professorin für Bewegtbild im Studiengang Europäische Medienwissenschaft in Potsdam. 

Sandra Schäfers künstlerische Praxis beschäftigt sich mit den Herstellungsprozessen von städtischen und transregionalen Räumen, Geschichte und Bildpolitiken. Häufig entstehen ihre Arbeiten entlang von Recherchen, in denen sie sich mit den Rändern, Lücken und Diskontinuitäten unserer Wahrnehmung von Geschichte, politischen Kämpfen, urbanen, ländlichen und geopolitischen Räumen auseinandersetzt. Schäfer ist Professorin an der Akademie der Bildenden Künste München und assoziiertes Mitglied des feministischen Filmverleihs Cinenova in London. Aktuell ist sie Co-Leiterin des künstlerisch-philosophischen Forschungsprojekts »DisIgnorance – Sehen im Rassistischen Nebelfeld« im Rahmen des Forschungsverbunds ForGeRex (2024–2027).

Führung und Gespräch in der Ausstellung mit den Künstlerinnen

Lange Nacht der Münchner Museen

Finissage mit einem Gespräch zwischen Sandra Schäfer und Dr. Simone Förster
Sammlungsleiterin der Stiftung Ann und Jürgen Wilde an der Pinakothek der Moderne (Sammlung Moderne Kunst)

In der Videoinstallation »Westerwald: Eine Heimsuchung« (2021), die im Untergeschoss des Kunstraum gezeigt wird, begibt sich Sandra Schäfer auf Spurensuche im Westerwald. Dabei nimmt sie Bezug auf den Fotografen August Sander, der ab 1910 die Landschaft und die Menschen der Region dokumentierte und auch Schäfers Ururgroßtante mit ihrem Ehemann porträtierte. Das Bild von 1912 trägt den Titel »Bauernpaar – Zucht und Harmonie« und eröffnet Verbindungen zu Sanders Projekt »Menschen des 20. Jahrhunderts«, das er ab den 1920er-Jahren begann und das seine Bedeutung für die Fotografiegeschichte begründete. Die Installation zeigt auf einem Kanal Schäfers Annäherungen an Verwandte und Nachbar:innen sowie Besuche in Museen und Sammlungen, in denen die Entstehung und Bedeutung des Porträts thematisiert werden. Auf einem zweiten Kanal werden diese Szenen durch Bilder moderner, automatisierter Landwirtschaft kommentiert.

Ein Originalabzug des Porträts »Bauernpaar – Zucht und Harmonie« befindet sich heute in der Stiftung Ann und Jürgen Wilde in der Pinakothek der Moderne in München.

Anhand der Videoarbeit diskutieren Simone Förster, Sammlungsleiterin der Stiftung Ann und Jürgen Wilde, und Sandra Schäfer verschiedene Zugänge zum Porträt im Spannungsfeld zwischen privat-persönlichen und kunsthistorisch-musealen Kontexten. Dabei werden Hintergründe, Deutungen und die Bedeutungsvielfalt des Porträts sowohl für die Porträtierten und ihre Nachfahren als auch im Kontext von Sanders Werk und den künstlerischen Ansätzen von Schäfer beleuchtet.

Das Gespräch wird von Lena von Geyso moderiert.

Simone Förster ist Fotografiehistorikerin und seit 2009 Kuratorin an den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München, wo sie als Sammlungsleiterin die Stiftung Ann und Jürgen Wilde an der Pinakothek der Moderne betreut. 2006 promovierte sie an der TU Berlin zur Architekturfotografie der 1920er Jahre. Ihr Forschungsinteresse umfasst die Theorie der Fotografie, Mediengeschichte und zeitgenössische Fotokunst. Sie hat zahlreiche Ausstellungen kuratiert, darunter »Florence Henri. Compositionen« (2014), »Karl Blossfeldt. Aus der Werkstatt der Natur« (2015) und »Alfred Ehrhardt. Wind, Sand und Wasser« (2024) und Publikationen veröffentlicht. Zudem war sie Co-Kuratorin der interdisziplinären Neuhängung der Sammlung Moderne Kunst »Mix & Match« zum 20-jährigen Jubiläum der Pinakothek der Moderne (2022–2025).

_____________________________________________

Dates: September 7 – October 20, 2024

Curated by Lena von Geyso

The exhibition »Tracing Echoes. From Westerwald to Rio Tinto« takes us on a journey through time, from the industrial to the digital revolution, in search of traces of images from the past that continue to resonate with us today and point to the future: pictures that already exist, perceptions that we have, and renderings that are created by us or by technology.

In video works, photographs, and analytical visualizations, Anne Quirynen and Sandra Schäfer explore the question of how a region, its landscape, industrial and agricultural uses have changed over time. The multidisciplinary works lead us from the Minas de Riotinto in Spain, one of the oldest copper mines in the world, through Westerwald, Germany, where August Sander initiated his photographic project »Menschen des 20. Jahrhunderts« (People of the Twentieth Century), to the planet Mars.
In »Tracing Echoes. From Westerwald to Rio Tinto«, Quirynen and Schäfer combine both documentary and technically edited images to create a visual narrative about the influence of technology and capitalism on agriculture, mining and science as well as their depiction. In the process, they trace the subtle path and hidden facets of (gender) inequality, the effects of artificial intelligence on physical labor, and questions of social justice.

What traces do landscapes bear of the people who live(d) in them? Which practices of research, use, and settlement do people use to inscribe themselves into/onto these landscapes? What is the relationship between industrial exploitation and scientific evaluation? How and in what ways do landscapes resonate in the images that exist of them and are generated by them? What realistic scenarios do they depict and what speculative utopias do they reveal?

Anne Quirynen is a Berlin-based artist who works at the intersection of digital imagery and sound, installation, music, and dance and deals with the medialization of the body, ecology, and queer-feminist practices. From the beginning, she has used digital effects to thematize the indeterminacy and ambiguity of digital images and sounds. Her current work reflects on the ecological consequences of raw material extraction and the social, historical, and aesthetic transformations as a result. She is currently Professor of Media Design and Moving Image in the European Media Studies program at the University of Applied Sciences in Potsdam.

Sandra Schäfer’s artistic practice is concerned with the production processes of urban and trans-regional spaces, history, and image politics. Her works are often the result of exploratory research into the margins, gaps, and discontinuities in our perception of history, political struggles, urban, rural, and geopolitical spaces. Schäfer is a professor at the Academy of Fine Arts Munich and an associate member of the feminist film distributor Cinenova in London. She is currently codirector of the artistic-philosophical research project »DisIgnorance – Sehen im Rassistischen Nebelfeld« (DisIgnorance – Seeing through the Racist Fog) as part of the ForGeRex research network (2024–2027).

Guided tour and talk in the exhibition with the artists

The Long Night of Munich Museums

Finissage with a conversation between Sandra Schäfer and Dr. Simone Förster
Head of Collection of the Ann and Jürgen Wilde Foundation at the Pinakothek der Moderne (Modern Art Collection):

Foto: Thomas Splett