[Gespräch] Hagen Verleger und Dr. Bettina Knaup »Performing Archives«

Am Sonntag, den 5. Februar, um 16:00 Uhr widmen wir uns mit Hagen Verleger (Berlin) und Dr. Bettina Knaup (Berlin) dem Spannungsfeld von »Performing Archives« und »Archives of Performance«.

Bettina Knaup, Kuratorin und Autorin, stellt das von ihr mitinitiierte Archiv- und Performanceprojekt »re.act.feminism« vor – ein laufendes Archiv- und Forschungsprojekt zu Feminismus/Feminismen und Performancekunst, das von 2008 bis 2013 durch Europa tourte und 2022 im Rahmen der Manifesta 14 in Pristina eine Neuauflage erfuhr. Hagen Verleger, Buchgestalter und Theoretiker, gibt Einblicke in seinen kuratierenden und kommentierenden Ansatz in der aktuellen Ausstellung »Kr. Inventory: Archive on Display«, in der das Archiv des Kunstraum München eine räumliche (Re-)Aktivierung erfährt.

Was bedeutet es, Archive »in Bewegung« zu setzen, was »Bewegung(en)« zu archivieren? Welche Grenzverschiebungen, Transformationen und Eingriffe vollziehen sich in diesen Prozessen und wie lassen sie sich im Spannungsfeld von ästhetischer und wissenschaftlicher Praxis bewerten? 

Das Gespräch wird von Lena von Geyso moderiert. 

Dr. Bettina Knaup ist Kuratorin und Autorin. In freiberuflicher Tätigkeit hat sie zahlreiche internationale Festivals, Ausstellungen und Projekte (ko-)kuratiert, darunter das International Festival of Contemporary Arts »City of Women« (Ljubljana, 2001–2004), »performing proximities« (Beursschouwburg, Brüssel, 2008), »performance platform: body affects« (Sophiensaele, Berlin, 2012) und das Archiv- und Performanceprojekt »re.act.feminism«, das von 2008 bis 2013 durch Europa tourte (u. a. Akademie der Künste Berlin; Fundació Antoni Tàpies, Barcelona; Wyspa Institute of Art, Gdańsk; Tallinn Art Hall) und 2022 im Rahmen der Manifesta 14 in Pristina eine Neuauflage erfuhr. Gegenwärtig beschäftigt sich Knaup ausgehend von ihrer Promotion »performing (as) waste« mit der Arbeit zahlreicher Künstler:innen und Wissenschaftler:innen, die Müll als dauerhaft und als jenseits menschlicher Verwertungszusammenhänge betrachten, und mit Formen des (Nicht-)Wissens in Bezug auf dieses scheinbar tote Material experimentieren. Knaup ist Fellow im Fellowship-Programm für Kunst und Theorie 2022–23 des Künstlerhauses Büchsenhausen, Innsbruck. 

Hagen Verleger ist Buchgestalter, Forscher und Herausgeber. Seine künstlerischen Arbeiten setzen sich u. a. mit Machstrukturen innerhalb von Institutionen, Formen kollektiver Autor:innenschaft, und ideologiekritischen Perspektiven auf die Materialität von Schriftlichkeit auseinander. 2017/2018 war er Artist-in-Residence an der Jan van Eyck Academie in Maastricht (Niederlande), 2020 Fellow am Deutschen Literaturarchiv Marbach und Stipendiat der Kulturstiftung Schloss Wiepersdorf sowie 2021 Artist-in-Residence in den Résidences-Ateliers Vivegnis International (RAVI) in Liège (Belgien).

Das Projekt wird unterstützt von Stiftung Kunstfonds und NEUSTART KULTUR aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Hagen Verleger Kr. Inventory: Archive on Display

Zum Auftakt des Jubiläumsjahres widmet sich der Buchgestalter und Theoretiker Hagen Verleger (Berlin) der großen Materialfülle unseres Archivs in einer kuratierenden und kommentierenden Form. Im Spiel mit musealen und archivarischen Konventionen wird der Inhalt des Archivs aus dem Abstellraum in den Ausstellungsraum transferiert, wobei sich die Geschichte(n) der Institution anhand von ihren Künstler:innen, Netzwerken, Räumen und Publikationen in der Geste des Ausstellens sowohl entfalten als auch bewusst entziehen. Was zeigen der Raum eines Archivs, seine Leerstellen, sein Gewicht oder eine Liste von Namen? Was legen materielle und narrative Rahmenbedingungen offen? Was passiert zwischen der Ausstellung eines Archivs und seinem Gebrauch?

Kuratiert von Lena von Geyso

Das Ausstellungsprojekt entstand in engem Austausch mit der Archivgruppe des Kunstraum München (Patricia Drück, Lena von Geyso, Nina Holm, Luise Horn, Lennart Laule, Cora Piantoni, Friederike Schuler und Alexander Steig). 

Das Projekt wird unterstützt von Stiftung Kunstfonds und NEUSTART KULTUR aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

To kick off the Kunstraum München’s 50th anniversary in 2023, book designer and researcher Hagen Verleger (Berlin) explores the great wealth of material in the Kr. archive in a curated and annotated form. The exhibition links the archive as content with the archive as a place where history is made. In an interplay between museum and archival conventions, the contents of the archive are transferred from the storage space to the exhibition space, and the history(ies) of the institution simultaneously unfolds (its artists, networks, spaces, and publications) and is consciously eluded. What do the space of the archive and its gaps, weight, or list of names reveal? What do material and narrative frameworks reveal? What happens between the exhibition of an archive and its use?

The exhibition was created in close exchange with the archive group of the Kr., consisting of board members Patricia Drück, Lena von Geyso, Nina Holm, Luise Horn, Lennart Laule, Cora Piantoni, Friederike Schuler and Alexander Steig.

[Gastprojekt] Unsigned Untitled Undated – eine konzeptuelle Aktion mit Arbeiten auf Leinwand von Tim Beeby

»Unsigned Untitled Undated« ist das Angebot an die Besucher:innen des Kunstraum, ein unsigniertes Werk kostenlos mitzunehmen. Alternativ können Interessenten die Leinwand vom Künstler signieren lassen und sie dann zu den marktüblichen Konditionen käuflich erwerben.

Die Ausstellung besteht aus Arbeiten auf Leinwand aus Tim Beebys Serie »Inks«, in Stapeln an die Wand gelehnt oder gehängt. Alle Werke sind unsigniert, unbetitelt und undatiert. Die Besucher:innen des Kunstraums sind eingeladen, eine in der Ausstellung präsentierte Leinwand auszuwählen und sie kostenlos mitzunehmen.

Alternativ können Interessenten entscheiden, die Leinwand vom Künstler signieren und mit Titel und Datum versehen zu lassen und sie dann zum regulären Marktpreis anzukaufen. Alle käuflich erworbenen Werke werden fotografisch dokumentiert, und der:die Käufer:in erhält ein unterschriebenes, datiertes Echtheitszertifikat.

In Bezug auf die verwendeten Materialien und das ästhetische Erscheinungsbild sind die unsignierten und die signierten Arbeiten nicht voneinander zu unterscheiden. 

Das Projekt wird gefördert durch die Stiftung Kunstfonds und NEUSTART KULTUR aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie durch ein NEUSTARTplus-Stipendium der Stiftung Kunstfonds / NEUSTART KULTUR der BKM.

Unsigned Untitled Undated – a conceptual exhibition of works on canvas by Tim Beeby

Soft Opening: March 8, 2:00 p.m.
Artist talk between Tim Beeby and Wolfgang Ullrich: March 12, 2:00 p.m.

Visitors to the exhibition at the Kunstraum München are invited to select an unsigned work on canvas to take away with them free of charge. Alternatively, they can have the canvas signed by the artist and acquire it at the standard market price.

The »Unsigned Untitled Undated« event involves works on canvas from Tim Beeby’s ongoing series »Inks« – presented in stacks against the wall or hung. All of the works are unsigned, untitled, and undated. Visitors are invited to select a canvas, which they may take with them, free of charge.

Alternatively, visitors can have their canvas signed, dated, and titled by the artist and acquire it in the conventional manner at market price. The works that are purchased will be photographically recorded, and a signed and dated certificate of authenticity will be issued to the purchaser.

In terms of materials and aesthetic value, the unsigned and signed groups of work remain indistinguishable.  


[Gastprojekt] Archive of the Unknown – Baalbeck Studios Beirut

»archive of the unknown« ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Studierenden der Lebanese Academy of Fine Arts in Beirut und der Akademie der Bildenden Künste in München zusammen mit Joseph Rustom und Sandra Schäfer in Partnerschaft mit Umam Documentation & Research in Beirut. Wir waren in der glücklichen Lage, an den Archivierungsprozessen der Baalbeck Studios in Beirut teilzunehmen, einer Filmproduktionsfirma, die von 1962 bis 1994 tätig war und von immenser lokaler und internationaler Bedeutung war. Große Teile des Materials wurden im Jahr 2010 von der libanesischen Kulturorganisation UMAM vor der Zerstörung gerettet. Anhand des teilweise unzugänglichen Film-, Ton- und Papiermaterials sowie der Ruine des Gebäudes untersucht unser Projekt die Imaginationen, Resonanzen, Diffusionen, Erosionen, Kontaminationen und das Kompostieren von Material und Erinnerungen der Baalbeck Studios. Welche Rolle das Archiv für die Zugänglichkeit von Wissen hat, wie es sich zur Erinnerung verhält und welche Rolle Materialität spielt, sind nur einige der Fragen, mit denen wir uns beschäftigt haben.

Dieser Prozess wurde in Kassel in Form einer bühnenartigen Installation mit Klängen, Filmen und anderem Material gezeigt, die während unserer kollektiven Arbeitsprozesse entstanden sind. Die Lebanese Academy of Fine Arts in Beirut und die Akademie der Bildenden Künste in München sind Teil des Composting Knowledge Netzwerks der documenta fifteen.

Vom 13. August bis 25. September fand eine Aktivierung in den Räumen des Composting Knowledge Netzwerkes in der Hafenstraße 76 in Kassel statt. Die Ausstellung im Kunstraum stellt eine Fortführung und Adaption diese Aktivierung dar.

Mit Georges Azzi, Mohamad Bzih, Paola Faddoul, Anne Gauger, Christina Georges, Benjamin Gerull, Kathrin Herold, Elias Khoury, Magdalena Kratzer, Lucia Ott, Joseph Rustom, Anja Schäfer, Sandra Schäfer, Karen Stephan und Manuela Unverdorben

Mit finanzieller Unterstützung der documenta fifteen, des Goethe-Instituts Beirut, ALBA Beirut und dem Akademieverein München

archive of the unknown – Baalbeck Studios Beirut
Part of the Composting Knowledge Network at documenta fifteen

»archive of the unknown« is an interdisciplinary collaboration between students from the Lebanese Academy of Fine Arts in Beirut and the Academy of Fine Arts Munich, together with Joseph Rustom and Sandra Schäfer and in partnership with UMAM Documentation & Research in Beirut. We were fortunate to participate in the archiving processes of Baalbeck Studios in Beirut, a film and music production company that operated from 1962 to 1994 and was of immense local and international importance. In 2010, the Lebanese cultural organisation UMAM was able to save a large amount of the archival material from destruction. Working with partly inaccessible film, sound, and paper material as well as the ruins of the building, our project investigates Baalbeck Studios’ imaginaries, resonances, diffusions, erosions, contaminations, and composting of materials and memories. Some of the questions we addressed included what role the archive has in the accessibility of knowledge, how it relates to memory, and what role materiality plays. We shared this process in Kassel as an installation with a stage-like set comprising sounds, film, and other materials harvested as part of our collective working process. The Lebanese Academy of Fine Arts in Beirut and the Academy of Fine Arts Munich are part of the Composting Knowledge Network of documenta fifteen.

From August 13 to September 25, an activation took place at the Composting Knowledge Network’s premises at Hafenstraße 76 in Kassel. The exhibition in the Kunstraum represents a continuation and adaptation of this activation.

With Georges Azzi, Mohamad Bzih, Paola Faddoul, Anne Gauger, Christina Georges, Benjamin Gerull, Kathrin Herold, Elias Khoury, Magdalena Kratzer, Lucia Ott, Joseph Rustom, Anja Schäfer, Sandra Schäfer, Karen Stephan, and Manuela Unverdorben.

With financial support from the Goethe-Institut Beirut, ALBA Beirut, and the Akademieverein Munich.

Editionen 1973 – 1985

Mit Arbeiten von Jaroslav Adler, Michael von Biel, Detlef Halfa, Klaus Kumrow, Greg Kwiatek, Geerd Moritz, Ulrike Nattermüller/Horst Münch, Michael Sauer, Barbara und Gabriele Schmidt-Heins und Angelika Wiesenthal/Christian Brügge/Stefan Ravena

50 Jahre Kunstraum München Cora Piantoni – Der Neugiereffekt

Der Archivraum wird im Herbst 2022 von der Künstlerin Cora Piantoni (*1975, München/Zürich) bespielt. Material- und Konzeptionsgrundlage sind Auszüge aus Gesprächen und die Korrespondenz des Kunstraum-Archivs seit 1973.

Der Kunstraum München nimmt sein bevorstehendes 50-jähriges Jubiläum 2023 zum Anlass, sich der eigenen Historie zu widmen, die Arbeit am Archiv zu intensivieren und den Blick für eine Auseinandersetzung über Aufgaben, Rollen und Potenziale der Institutionsform Kunstverein zu öffnen. Im Zuge des Archivprojekts, das seinen Auftakt im November 2021 nahm, entstand im Untergeschoss eine Innenraumarchitektur des Künstlers rasso rottenfusser, die dem Kunstraum bis zum Jubiläumsjahr als Display für Forschung und Diskurs dient. Piantoni ist seit 2021 Mitglied der Archivgruppe im Kunstraum, die sich im Vorfeld des Jubiläums mit der eigenen Historie auseinandersetzt. Ihr Schwerpunkt liegt dabei auf Oral History-Gespärchen.

Während ihres Studiums in den 1990er Jahren an der Akademie der Bildenden Künste in München war der Kunstraum für Cora Piantoni ein wichtiger Impulsgeber und Ort des Austausches. Bereits 2016 hat sie sich zusammen mit Monika Kapfer für die Ausstellung „Abriss” mit der Korrespondenz und dem Presse- und Fotoarchiv des Kunstraums beschäftigt. Diese Auseinandersetzung erfährt 2022 eine Aktualisierung.

Im Zentrum von Piantonis künstlerischem Interesse stehen Fragen, wie sich politische und historische Ereignisse auf das Leben von Einzelnen auswirken und wie diese mit Überlebensstrategien und gemeinschaftlichem Handeln eine zunächst ausweglose Situation lösen. In ausgiebigen Interviews befragt sie die an einem historischen Ereignis Beteiligten, in diesem Falle historische Atkeur:innen. Ausschnitte dieser Gespräche bilden die Tonspur ihrer Filme und die Basis ihrer Textarbeiten. Parallel entwickelt sie mit ihren Gesprächspartner:innen Re-Enactments der Ereignisse aus der Vergangenheit, bewegte Bilder, die für eine politische oder gesellschaftliche Situation stehen. Teil ihrer künstlerischen Arbeit ist die Recherche und Sichtung von Archivmaterial, welches im Austausch mit Zeitzeug:innen eine Neubetrachtung erfährt.

Auf der Grundlage von Nachforschungen im Kunstraum-Archiv und Oral History-Gesprächen mit ehemaligen Vorständen und Mitarbeiter:innen entwickelt Piantoni eine räumliche Intervention, in der Selbstreflexion und Außensicht(en) der Institution miteinander in Beziehung gesetzt werden.

Archivgruppe: Dr. Patricia Drück, Lena von Geyso, Nina Holm, Dr. Luise Horn, Lennart Laule, Cora Piantoni, Dr. Friederike Schuler, Alexander Steig.

Besuchszeiten während der Ausstellungen (wenn nicht anders angegeben): Mittwoch bis Sonntag, 14–19 Uhr

Peter Hoiss. RGB

Der Versuch, die Welt in eine visuelle Ordnung zu bringen, ist thematischer Ausgangspunkt für die Präsentation von Peter Hoiss im Kunstraum München. In seinen Arbeiten widmet er sich dem Spannungsfeld von Fotografie, Installation und Wahrnehmung. Hierfür befasst er sich mit den Lichtfarben Rot, Grün und Blau (RGB) in der analogen Welt wie auch der Darstellung von RGB als vorrangigem Farbraum in der digitalen. In den von ihm gezeigten „Seh“-Objekten, Installationen mit Licht und Filterfolien sowie Fotoarbeiten eröffnet sich die subjektive Farbwahrnehmung den Rezipient:innen.

Kuratiert von Nina Holm

Anlässlich der Ausstellung erscheint eine Edition des Künstlers.

Die Ausstellung wird gefördert durch das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport, dem Land Oberösterreich Abteilung Kultur sowie das Kulturreferat der Landeshauptstadt München.

The attempt to bring the world into a visual order is the thematic starting point for Peter Hoiss‘ exhibition. His work is dedicated to the interplay of installation, photography, and perception. In his exhibition at the Kunstraum, he deals with the primary colors red, green, and blue in the analogue world as well as the representation of RGB as the primary color space in the digital world. In the (visual) objects and photographic works on display, the three-color theory is combined with a breakdown of color perception.

RGB provides the visual framework for the works in the exhibition. Peter Hoiss also makes reference to this within the archive space on the Kunstraum’s ground floor, which was created as part of the Kunstraum’s 50th Anniversary.

Curated by Nina Holm

An edition by the artist will be published on the occasion of the exhibition.

The exhibition is sponsored by the Federal Ministry for Art, Culture, Public Service and Sport, the Upper Austrian Department of Culture and the Cultural Department of the City of Munich.