[Gastprojekt] Silvia Cini

Die Performance-Reihe En plein air, präsentiert ESTRANEE, eine Aktion im Rahmen des Projekts »Avant que nature meure« von Silvia Cini, Gewinnerin des Italian Council 2022.

In München wird Silvia Cini mit Unterstützung von Expert:innen einen Teil der Spontanvegetation auf einem naturbelassenen städtischen Gelände analysieren, welches sie anschließend klassifiziert und kartografiert. So entsteht eine Übersicht zur Population der Pflanzen in München.
ESTRANEE hebt die geschichtete Ansammlung von Pflanzenarten hervor, die die Landschaft prägen. Zentrale Thematik ist die Betrachtung städtischer Natur als Metapher, einerseits für soziale – andererseits für ökologische Phänomene. Im Rahmen dieser von der Künstlerin über die Jahre fortgeführten Tätigkeit, werden gebietsfremde Pflanzen zu Trägern einer unvermeidlichen biologischen und sozialen Transformation. Darüber hinaus wird die urbane Natur auch als Bioindikator für das soziale Leben einer Stadt untersucht. Durch die Markierung der nicht-heimischen Pflanzen wird die Praxis der Kategorisierung kritisch befragt und problematisiert.

Interessierte sind herzlich eingeladen, an dieser Aktion teilzunehmen.

Silvia Cini war Mitbegründerin der Gruppo Immagine und arbeitete mit Keith Haring bei der Realisierung des Wandgemäldes »Tuttomondo« in Pisa zusammen. 1994 gründete sie gemeinsam mit Salvatore Falci die AAVV-Gruppe in Mailand und arbeitete mit Cesare Pietroiusti an Projekten wie »DisorsordinAzioni«, »Il Gioco del Senso e Nonsenso«, (XII Quadriennale di Roma) und der »Oreste Group«, mit der sie an der 48. Biennale von Venedig teilnahm. 2000 erhielt sie den Atelierpreis von Fabio Mauri in der Galleria Comunale d’Arte Moderna Rom, heute bekannt als MACRO; 2004 wurde ihr von der Stadt Genua anlässlich der Auszeichnung als Kulturhauptstadt Europas durch das Museum Villa Croce der Duchessa Galliera-Preis verliehen. 2022 war sie eine der Gewinnerinnen der elften Ausgabe des Italian Council – AMBITO 1.

Kuratiert von Emily Barsi

Programm:

Stadtworkshop
Samstag, 4. Mai, 15 Uhr bis 17:30 Uhr

(Neuer) Treffpunkt
Haltestelle »Am Tucherpark« (Buslinie 54)
Der Bus 54 fährt vom U-Bahnhof Giselastraße (Ausgang »D« – Martiusstraße) in fünf Minuten nach »Am Tucherpark«. Von dort gehen wir in der Gruppe zu Fuß ca. 10 Minuten. Um pünktliches Erscheinen wird gebeten. Fahrräder können in der Nähe der Bushaltestelle abgestellt werden.

Visuelle Umsetzung
Vom 31. Juli bis 2. August findet in den Räumen des Kunstraum München eine visuelle Umsetzung des Stadtworkshops vom 4. Mai statt.

Der Kunstraum München – En plein air ist eine der internationalen Bühnen von Silvia Cinis Projekt »Avant que nature meure«, das dank der Unterstützung des Italian Council (XI. Ausgabe, 2022), einem Programm des italienischen Kulturministeriums zur internationalen Förderung der zeitgenössischen italienischen Kunst, realisiert wird. Das Projekt wird vom Museo Orto Botanico der Universität »La Sapienza« in Rom, in Zusammenarbeit mit CareOf, Fondazione Lac o Le Mon, Hellenische Gesellschaft für Naturschutz, Stiftung Ungarisches Gartenerbe, MAMbo, Museu da Amazonia und PAV Parco Arte Vivente veranstaltet.

ESTRANEE ist Teil der Various Others Spring Edition 2024

[Buchvorstellung] RAND Verena Hägler und Nicola Reiter

RAND vereint zwei Projekte aus dem Bereich der Landschaftsfotografie. Gegenstand beider Arbeiten sind die sich entwickelnden und verändernden (Landschafts-)Räume entlang der Stadtgrenze von München.

Verena Hägler nimmt mit SALTROAD fotografisch einen verkehrsbelasteten, im Wandel begriffenen Transitraum in landwirtschaftlich genutzter Umgebung in den Blick. Die fotografischen Fragmente ergeben ein Mosaik, das auf das umfassendere Gepräge der Gegend verweist.

Nicola Reiter beschäftigt sich in Agglomerationen mit dem Rand der Großstadt als einem Gebiet des Übergangs von urbanen Strukturen zur offenen Landschaft. Mit der Kamera hat sie München entlang der Stadtgrenze umrundet. Ihre eigenen Bildfolgen ergänzt sie durch historische Aufnahmen, die drastische Veränderungen sichtbar machen.

Verena Hägler ist Fotografin und beschäftigt sich mit empirischer Stadtforschung. Nicola Reiter arbeitet als (Buch-)Gestalterin und publiziert eigene Projekte.

Am 9. Juni 2024 um 16:00 Uhr präsentieren die beiden Künstlerinnen ihre Publikation im Rahmen einer Lesung und eines Gesprächs mit Lena von Geyso und stellen das Projekt in einer eintägigen Ausstellung vor. Das eigens für den Raum entwickelte Ausstellungsdisplay mit großformatigen Prints und einer Slideshow vermittelt einen Eindruck der fragmentarischen, prozesshaften Arbeitsweise beider Künstlerinnen.

RAND
Leipzig: Spector Books, Nov. 2022. Hrsg. von Verena Hägler und Nicola Reiter. 208 Seiten. 50 s/w Abb., ca. 450 farbige Abb.. 23 x 30 cm. 3 Hefte in einer Klappenbroschur. Auflage: 750. Edition Nummer: 1

ISBN 9783959055789

Das Projekt wurde unterstützt von der C.H. Beck-Stiftung, der Volkart Stiftung und der Erwin-und-Gisela-Steiner Stiftung.

Neringa Vasiliauskaitė

Neringa Vasiliauskaitė entwickelt für den Kunstraum München einen Zyklus neuer raumbezogener Arbeiten, die an Erinnerungsmomente ihrer Kindheit anknüpfen. Die vielschichtigen und mehrdeutigen Werke, sowohl an der Wand als auch im Raum verteilt, fungieren als Metaphern für wiederkehrende alltägliche Rituale und untersuchen die Transformation von verschiedenen Aggregatzuständen, Zeitsträngen sowie damit verbundenen Emotionen und Bedeutungen.

Die groß- und kleinformatigen Objekte aus bedrucktem Textil auf gepolstertem Untergrund, begossen mit Epoxidharz und eingearbeiteten Elementen aus Holz, lassen die Grenzen und Bedeutung zwischen Innen und Außen verschwimmen und eröffnen ein Spiel zwischen Material(transfer) und Wiederholung, Imitation und Gegensätzlichkeit: Glänzende Oberflächen erinnern an Leder von Möbeln oder an menschliche Haut – ähnlich eines künstlich geschaffenen Körpers; scheinbar harte Oberflächen werden fließend, weiche Oberflächen härten aus oder reproduzieren sich selbst in Form und Textur.

Neringa Vasiliauskaitės Praxis ist beeinflusst von Theorien des Psychoanalytikers Didier Anzieu und des Xenofeminismus. Sie interessiert sich dafür, wie Objekte die Umwelt aufnehmen und diese durch ihre Oberfläche, ihre Haut, reflektieren, als ob sie Informationen aus verschiedenen kulturellen Ebenen und Generationen in sich tragen würden. Inspiriert wird die Künstlerin von Alltagsgegenständen und Formen, die sie in ihrer Umgebung, in der Natur und im öffentlichen Raum wahrnimmt. Dabei experimentiert sie nicht nur mit den Werkstoffen in teils ergebnisoffenen Prozessen; zerlegt oder dekonstruiert Fundstücke, sondern fügt die verschiedenen, oft synthetischen Materialien in neuen Oberflächen und Objekten zusammen. In diese werden persönliche Erinnerungsfragmente der Künstlerin eingearbeitet und mit Motiven von kosmologischen Ordnungen und archetypischen Symbolen verknüpft. Die Kombination verschiedener Träger erschließt Schicht für Schicht die eingeschlossenen Erinnerungen und Erfahrungen, seien sie persönlich, sozial, historisch oder kulturell. Sie werden quasi in ihren verschiedenen Schichten und Geschichten bloßgelegt und ihres Zweckes enthoben, um in ihnen Neues, noch nicht Entdecktes zu finden.

Zentrales Motiv der Objekte sind von Glas umhüllte »Sekretas« sog. »verborgene« oder »eingefrorene« Fundstücke, die einen spezifischen Moment oder Tag aus der Vergangenheit reflektieren. Der Name »Sekretas« geht auf eine Freizeitbeschäftigung von Kindern und Jugendlichen aus Litauen zurück, bei der kleine Gegenstände, wie Blumen, Flaschendeckel oder gefundene Objekte unter Glas oder eine Glasscherbe gelegt und diese mit Erde oder Staub bedeckt wurden. Passant:innen konnten sie zufällig entdecken oder sie verschwanden für immer aus dem Blickfeld. Die »Sekretas« dienen in der Ausstellung als Metapher für innere Räume, für die Verhandlung der Grenze zwischen Vergangenem und Gegenwärtigem, zwischen dem Körperlichen, dem Haptischen und dem Digitalen.

»Repetitions & Rituals« lädt dazu ein, die subtile Grenze zwischen Innen und Außen zu erkunden, das Verständnis von Identität und die Beziehung zur digitalen Welt zu reflektieren und eine neue Sensibilität für die Bedeutung von Körperlichkeit und Erinnerung zu schaffen, indem kulturelle Schichten aufgedeckt und durch subjektive Erfahrung betrachtet werden.

Führung mit der Künstlerin und den Kuratorinnen

Gastvortrag und Gespräch zur Ausstellung

PD Dr. Jörg Sternagel, Medienphilosoph, Universität Passau:

»Den Sachen auf den Grund gehen – Zur Vielschichtigkeit und Mehrdeutigkeit der Dinge«

Am Samstag, den 13. Juli um 17 Uhr, laden wir herzlich zu einem Vortrag und Gespräch im Rahmen der aktuellen Ausstellung »Repetitions & Rituals« von Neringa Vasiliauskaitė ein. Zu Gast ist PD Dr. Jörg Sternagel (Medienphilosoph, Universität Passau), der die Ausstellung zum Ausgangspunkt für Überlegungen zum Thema »Den Sachen auf den Grund gehen – Zur Vielschichtigkeit und Mehrdeutigkeit der Dinge« nimmt:

»Wie lässt sich, inspiriert von den Exponaten der Künstlerin Neringa Vasiliauskaité, über Dinge sprechen? Wie können wir über ihre Materialität, Schichtung und Oberflächlichkeit sprechen, und warum lohnt es sich, den Sachen damit auf den Grund zu gehen? In meinem Vortrag nehme ich diese Fragen zum Anlass, um ausgewählte Aspekte einer Vielschichtigkeit und Mehrdeutigkeit der Dinge sowohl in der Ausstellung als auch in unserer Alltagswelt herauszuarbeiten. Dabei geht es zum Beispiel darum, sich zu überlegen, dass zwar etwa eine Schere uns ›leibhaftig‹ gegeben ist, aber doch leblos, physikalisch ›schlicht‹ vor uns liegt. Die Schere bleibt daher als objektives Ding auch unter veränderten subjektiven Bedingungen das, was sie ist, auch wenn sie ›altert‹, indem sie unscharf wird. Ist es so gedacht möglich, einem Gegenstand wie der Schere nachzuspüren, im Nachdenken und Nachvollziehen der jeweils eigenen subjektiven Bedingungen gegenüber diesem objektiven Ding, dem auch etwa seit der Kindheit oder Jugend häufig verwendeten Objekt, das sich nicht verändert hat, auch wenn es Gebrauchsspuren aufweist? Wie haben wir uns verändert? Was ist Gegenstand, Thema, Mittelpunkt unseres Denkens, Schaffens und Schreibens? Worauf richten wir unsere Aufmerksamkeit, auf welches Objekt, gar Ziel?«

Jörg Sternagel ist Privatdozent für Medienwissenschaft und lehrt an der Universität Passau. Er ist Mitantragsteller des DFG-Projekts Visuelle Bildung 2022–2025 und des DFG-Netzwerkes für Medienphilosophie 2017–2019 und arbeitet im Beirat der Deutschen Gesellschaft für Ästhetik und des internationalen Netzwerkes Performance Philosophy. Ausgewählte Veröffentlichungen sind die Monografien »Ethik der Alterität. Aisthetik der Existenz« (2020) und »Pathos des Leibes. Phänomenologie ästhetischer Praxis« (2016) sowie die Mitherausgaben »Denken des Medialen. Zur Bestimmung des Dazwischen« (2024), »Die Gegenstände unserer Kindheit. Denker:innen über ihr liebstes Objekt« (2019) und »Techniken des Leibes« (2016).

Weitere Informationen finden Sie hier

Foto: Thomas Splett

Ksenia Hnylytska

Mit Beiträgen von:

Programm:

Sonntag, 26. Mai 2024, 15 Uhr

Foto: Ksenia Hnylytska, Motiv: Zhanna Kadyrova, Sound: Smezkh

Jeder kennt sie: die kitschig bedruckten Klappkarten, die beim Öffnen eine kurze blechern klingende Melodie abspielen. Die aus Kiew stammende, derzeit in München lebende Künstlerin Ksenia Hnylytska hat dieses Prinzip für ein Projekt adaptiert, welches Arbeiten zeitgenössischer ukrainischer Künstler:innen und Musiker:innen miteinander kombiniert. Ursprünglich in Friedenszeiten konzipiert, entstanden 2021 sechs Unikate, die den progressiven Geist der Kunst- und Clubszene der 3-Millionen-Metropole widerspiegeln.

Die Idee war zunächst unbeschwert: Jedes Jahr im Frühling feiert sich die Stadt. Kiew (sprich: KY-JIW, engl.: KY-IV) war zu diesem Zeitpunkt international bekannt für sein aufregendes Nachtleben entlang des Dnipro. Vor allem im postindustriellen Stadtteil Podil herrschte eine einzigartige von Kreativität und Offenheit geprägte Atmosphäre. Einige der Clubs, Konzert- und ungewöhnlichen Partylokalitäten, die dort aufpoppten, waren bald schon legendär. Und Kiew hatte einen eigenen Sound. Diese besondere Stimmung sollte eingefangen werden. Als Kunst im Format „Retro-Souvenir“.

Die drastische Veränderung der Situation seit dem Angriffskrieg im Februar 2022 hat zu einer Weiterführung des Projektes unter deutlich ernsteren Vorzeichen geführt.

Viele der ukrainischen Kolleg:innen von Hnylytska und Martynenko sind nun seit über zwei Jahren weitgehend von der internationalen Kunst- und Musikszene abgeschnitten. Aufträge an Kreative und Freiberufler:innen sind rar. Projekte, Auftritte, Ausstellungen außer- und innerhalb der Ukraine sind derzeit, speziell für männliche Akteure, nur äußerst eingeschränkt möglich.

Mit Hilfe des Emergency-Grant-Programmes des Goethe-Instituts und des Ukrainian Artists and Creatives-Support-Programmes der European Creative Hubs Network Association, wurden bei der Neuauflage des Projektes 2022/23 zahlreiche weitere Musiker:innen und Künstler:innen einbezogen.

Aktuell umfasst das Projekt 16 neue Karten, die nicht mehr ausschließlich Kiew, sondern auch anderen Städten und Regionen gewidmet sind. Das (engl.) KYIV-Logo auf den Rückseiten wurde aber bewusst beibehalten. Denn die Hauptstadt steht heute, mehr denn je, symbolisch für die gesamte Ukraine und für die dort Widerstand leistende Bevölkerung. Und es geht inzwischen weniger um einen bestimmten Ort, als vielmehr um eine gewisse Haltung.

Das Projekt möchte nicht an bessere Zeiten erinnern. Diese Auswahl an Abbildungen und Tonspuren ist nicht verklärt. Sie beschreibt einen besorgniserregenden Zustand und zeugt, mal leiser und mal lauter, mal direkter, mal subtiler, von der kollektiven Erfahrung Krieg.

Jede einzelne Klappkarte dieser Serie ist eine Media-Installation im Taschenformat. Ein autonomes Kunstwerk, in streng limitierter Auflage. Geöffnet, spielt jeder Audio-Track 1 Minute und 20 Sekunden, bevor er sich wiederholt.

Das gesamte Set an Karten und Tracks ergibt unweigerlich eine thematische Einheit, eine Art audiovisuelles Album. Dieses ist nun im Kunstraum München zu hören und zu sehen.

Ein Souvenir ist laut Wikipedia ein Gegenstand, der als Erinnerung an ein bestimmtes Ereignis, einen Ort oder eine Person mitgenommen und aufbewahrt wird. Diese Mitbringsel werden für sich und die Daheimgebliebenen meist käuflich erworben.

Das Projekt wird getragen vom Wunsch nach Unversehrtheit aller Kulturschaffenden.

Daher geht der Erlös vom Verkauf der limitierten Auflage ausschließlich an notleidende Künstler:innen und Musiker:innen in der Ukraine.

[Buchvorstellung und Performance] Schmarotzerbrücke. Ein temporäres Denkmal in 16 Stationen von Samuel Fischer-Glaser, Yulia Lokshina, Constanza Meléndez und Angela Stiegler

Die Publikation „Schmarotzerbrücke“ dokumentiert das gleichnamige Kunstprojekt im öffentlichen Raum, das von den Künstler:innen Samuel Fischer-Glaser, Yulia Lokshina, Constanza Meléndez und Angela Stiegler 2020-2021 mit anderen Bewohner:innen der damaligen Hilblestraße / heutigen Maria-Luiko-Straße in München Neuhausen durchgeführt wurde. Die Auseinandersetzung mit dem NS-belasteten Namensgeber Friedrich Hilble sowie der sozialen Struktur der Straße mündete im Sommer 2021 in einer performativen Parade. Im Rahmen dieser Parade erhielten 16 Orte auf der Straße neue Namen, die aus Gesprächen mit den Anwohner:innen entstanden waren. Die Straße trägt seit Herbst 2022 nach über zehnjähriger Debatte den Namen der jüdischen Künstlerin Maria Luiko.

Am 8. März 2024 schlagen die Künstler:innen einen Teil der „Schmarotzerbrücke“ in den Kunstraum und präsentieren sowohl die Publikation als auch mehrere Orte, die seit Sommer 2021 auf der heutigen Maria-Luiko-Straße neue Namen tragen. Anlässlich der Veranstaltung erscheint eine englische Übersetzung.

Schmarotzerbrücke – Ein temporäres Denkmal in 16 Stationen
Herausgeber:innen: Samuel Fischer-Glaser, Yulia Lokshina, Constanza Meléndez, Angela Stiegler
123 Seiten, 24 x 17 cm, mit 41 Abbildungen, 22 Zeichnungen
Texte: Samuel Fischer-Glaser, Yulia Lokshina, Angela Stiegler und Cordula Schütz
Fotos: Constanza Meléndez, u.a.
Gestaltung: Gabi Blum
Eigenverlag, München 2022, 1. Auflage: 420 Exp.

Das Projekt wurde unterstützt vom Kulturreferat der LHS München, dem Bezirksausschuss 9 Neuhausen-Nymphenburg und der Erwin und Gisela von Steiner-Stiftung.

Fotos: Constanza Meléndez, Videos: Marianna Fakas

Jubiläumsjahr 2023

It’s time to celebrate! The year 2023 marks the 50th anniversary of the Kunstraum München. Therefore a special program has been developed that references the history and future of the institution. For this program, the Kunstraum has invited selected artists—who have exhibited here since the 1970s—to develop projects in tandem and exchange with other artists and positions. 

In addition, a comprehensive publication on the institutional form of the “Kunstverein” with a focus on the history of the Kunstraum München will be published in German and English. Last but not least, we will offer an Anniversary Edition portfolio of limited editions by the artists exhibiting in 2023 supplemented by other artistic positions from past years.

Looking forward to seeing you!

Yours, 

Kunstraum München

This anniversary year is made possible by, among others, the Stiftung Kunstfonds and NEUSTART KULTUR with funds from the Federal Government Commissioner for Culture and the Media, as well as by the Department of Arts and Culture, City of Munich. The publication is supported by the Art Mentor Foundation Lucerne.

Zu seinem 50-jährigen Jubiläum lädt der Kunstraum München Künstler:innen, die seit den 1970er-Jahren im Kunstraum vertreten waren, ein, mit weiteren Künstler:innen gemeinsam oder in Bezug aufeinander ein Ausstellungsprojekt zu entwickeln.  

Außerdem erscheint in unserem Verlag eine umfassende Publikation in Deutsch und Englisch zur Institutionsform Kunstverein mit Schwerpunkt auf der Geschichte des Kunstraum München. Zum Abschluss des Jahres entsteht eine Jubiläumsedition mit Beiträgen aller 2023 beteiligten und weiteren Künstler:innen. 

Verpassen Sie keinen Termin und melden Sie sich gerne bei unserem Newsletter an.

Wir freuen uns auf Ihren Besuch, 
Ihr Kunstraum-Team

Das Programm und die Publikation werden ermöglicht durch die Stiftung Kunstfonds und NEUSTART KULTUR aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, die Art Mentor Foundation Lucerne sowie das Kulturreferat der Landeshauptstadt München. 

(1973 – 2023) 

Modell Kunstraum. 50 Jahre Kunstraum München

»Modell Kunstraum. 50 Jahre Kunstraum München« versammelt schlaglichtartig eine Vielfalt von Materialien aus 50 Jahren Kunstraum München. Nachdem der Kunstraum in den 1970er und 1980er Jahren mit Ausstellungen und Publikationen von Richard Tuttle über Roni Horn bis Hanne Darboven reüssierte, wandte er sich seit den 1990ern neuen Konzepten von Gustav Metzger bis Michaela Melián sowie gesellschaftspolitischeren Projekten und Formaten wie »Das Mädchenzimmer« oder »R.E.P. Euro Renovation in Europe« zu. Das Buch bietet nicht nur einen Rückblick auf die Geschichte eines ehrenamtlich durch den Vorstand geleiteten Vereins. Kunsthistorische und kunstsoziologische Texte und Essays thematisieren Besonderheiten der Institutionsform Kunstverein und reflektieren Veränderungen des Kunstbetriebs über fünf Jahrzehnte. Das Materialkonvolut aus dem Archiv des Kunstraum ermöglicht diverse Zugänge zu Institutionsgeschichte und Diskursen seit 1973.

[Vorträge & Filme] Ein Nachmittag zu Hanne Darboven im Kunstraum

Am Samstag, den 25. November, ab 16 Uhr widmen wir uns mit einem Vortrag von Petra Lange-Berndt (Hamburg) sowie Filmen von Michael Liebelt (Hamburg) und Julia Gaisbacher (Wien), verschiedenen Aspekten von Hanne Darboven (1941–2009), ihrem Werk, ihrer künstlerischen Praxis und ihrem Leben an dem konkreten Ort im Süden Hamburgs, an dem sie von 1969 bis zu ihrem Tod gelebt und gearbeitet hat.

16.00 Uhr
Petra Lange-Berndt
Schreiben zwischen den Dingen 
Vortrag über die Arbeitsverfahren von Hanne Darboven und die Sammlungen der Künstlerin. Im Anschluss findet eine Diskussion mit der Kunsthistorikerin statt.
 
17.00 Uhr 
Michael Liebelt
Am Burgberg, 2000. 48 min
Ein Film mit Hanne Darboven 
Im Anschluss findet eine Diskussion mit dem Regisseur statt.
 
18.00 Uhr
Julia Gaisbacher
Hanne Darboven: Am Burgberg, 2023. 45 min
Im Anschluss findet eine Diskussion mit der Künstlerin statt.
 
Moderation: Luise Horn & Dietmar Rübel

Petra Lange-Berndt lehrt als Professorin für Moderne und zeitgenössische Kunst am Kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Hamburg und vertritt eine undogmatische linke Kunstgeschichte. Darüber hinaus ist sie Autorin zahlreicher Bücher und arbeitet immer wieder als Gastkuratorin an verschiedenen Museen.
 


Michael Liebelt studierte nach einer Karriere als Kaufmann für Früchte und Knabberartikel an der Universität Hamburg Kunstgeschichte. 1995 gründete er zusammen mit seiner Frau Susanne die Liebelt-Stiftung, welche die Produktion, Präsentation und wissenschaftliche Erforschung von zeitgenössischer Kunst fördert. 
 


Julia Gaisbacher studierte zunächst Kunstgeschichte an der Universität Graz und anschließend Bildhauerei an der Hochschule für Bildende Künste Dresden sowie der Sint-Lukas Kunstakademie in Brüssel. Ihre Arbeiten werden seit vielen Jahren in internationalen Ausstellungshäusern gezeigt und erhielten zahlreiche Preise.

Fotos © Olaf Pascheit, 2023

Ursula Neugebauer schwarzer Schnee

Die Berliner Konzeptkünstlerin Ursula Neugebauer schreibt ihr bereits 1998 begonnenes Projekt „schwarzer Schnee“ fort, für das sie wiederholt auf Spurensuche ins polnische Dzwonów (ehemals Schellendorff) gereist ist, dem Geburtsort ihrer Mutter, den diese nach ihrer Flucht 1945 nach Westdeutschland nie wieder besucht hat. Der Kunstraum dient der Künstlerin als Bühne, auf der die einzelnen Exponate im Zusammenspiel requisitenartig einen assoziativen Erinnerungs-Parkour bilden: Gesprächsaufnahmen sind zu sehen und hören, die dörfliche Umgebung wird performativ durchschritten, eine Baumscheibe der just gefällten Friedhofskastanie dient als Zeitachse, das historische Foto einer jungen Frau im Ruderboot schwebt fluide projiziert im Raum, ihr Rock stellt sich modellartig in den Weg und tritt in Korrespondenz mit seinen voluminös auf- und niederfahrenden „Geschwistern“.

Die Ausstellung wird kuratiert von Alexander Steig

Programm der Ausstellung:

Kuratorenführung
Freitag, 5. April 2024, 17:00 Uhr

Künstleringespräch und Katalogpräsentation mit Ursula Neugebauer und Alexander Steig
Sonntag, 12. Mai, 17:00 Uhr

Die Ausstellung wird gefördert durch eine Mitgliederspende und die Finbridge GmbH & Co KG.

At Kunstraum München, Ursula Neugebauer is showing her „black Snow“ project, which has been progressing since 1998 and for which she has repeatedly traveled to Dzwonów (PL), formerly Schellendorf, the birthplace of her mother, whom she never visited again after fleeing to West Germany in 1945. Neugebauer uses the rooms as a stage on which the individual exhibits interact like props to form an associative memory course: Recordings of conversations can be seen and heard, the village surroundings are performatively a tree slice from the cemetery chestnut tree felled in 2023 serves as a timeline, the historical photo of a young woman – the artist’s mother – in a rowing boat floats fluidly projected in the space, her skirt stands in the way like a model and enters into correspondence with its voluminous up and down and descending „siblings“. With „black Snow“, Ursula Neugebauer succeeds in transposing the subjective approach of this intimate research into a universal, over-private staging and uses her aesthetic vocabulary to confront the audience with concrete questions about the consequences of flight and displacement, the associated physical and psychological devastation of future generations, but also the idea of family, of belonging and self-empowerment in general. Through the constellation of the exhibits and their presence in the media, the artist creates a space for reflection, a temporary memorial that is both sensually and intuitively challenging, but also intellectually challenging and allows for the continuation of their own experiences.

Exhibition Program:

Guided tour with curator Alexander Steig
Friday, April 5, 2024, 5:00 p.m

Artist talk and book launch with Ursula Neugebauer and Alexander Steig
Sunday, May 12, 5:00 p.m.


Foto: Thomas Splett

Die in Berlin lebende und an der Universität der Künste Berlin lehrende Konzeptkünstlerin Ursula Neugebauer beschäftigt sich – mehrheitlich projektorientiert – mit gesellschaftlichen Wahrnehmungsprägungen und Zuschreibungstendenzen des (weiblichen) Körpers. Vorausgehende, umfängliche Recherchearbeit führt dabei zur Entnahme, Sammlung und Sichtung zunächst fragmentarischer (Fund-)Stücke, die als Dokumentationsvideos von Orten und Personen, als (Interview-)Texte, als „Körpermaterial“ (z. B. Haare, Bekleidung, Abformungen), als historische Materialzeugnisse (Fotografien, biologische Substrate, Kulturgüter), ergänzt um eigene skulpturale, kinetische und optische Beiträge, zu multimedialen Environments führen. Ihr Selbstbezug variiert graduell, dient aber immer als werkimmanente Matrix für einen offenen Zugang, führt uns Ursula Neugebauer doch in die Auseinandersetzung mit „zugewiesener“ Körperlichkeit und Rollenvergabe und deren Annahme wie Ablehnung.

Die tradierten Zwänge und Rituale, die „Korsagen“, die gerade durch deren Festschreibungen Stabilität und Orientierung versprechen wollen, werden durch den stofflichen Transformationsprozess der Künstlerin aus der soziologischen Debatte befreit und erfahren dabei eine Entlastung, d. h. Ursula Neugebauer überführt durch ihren persönlichen, teils privaten Zugang ihre Unternehmungen auf eine vielleicht poetisch zu nennende Ebene, schafft es, der Ernsthaftigkeit ihrer Themata ein positiv besetztes Moment zuzueignen, so dass – ob minimalistisch, wie ihre Haarzeichnungen und Glasgravuren, oder vital-ausufernd, wie ihre großflächigen Pflanzungen oder „tanzenden“ Stoffe, den Betrachter und Betrachterinnen ein zunächst eher intuitiver Zugang ermöglicht wird.

Für den Kunstraum München hat Ursula Neugebauer in ihrer ersten institutionellen Einzelausstellung in der bayerischen Landesmetropole das bereits 1998 begonnenes Projekt „schwarzer Schnee“ fortgeschrieben, für das sie wiederholt auf Spurensuche ins polnische Dzwonów (ehemals Schellendorf) gereist ist, dem Geburtsort ihrer Mutter, den diese nach ihrer Flucht 1945 nach Westdeutschland nicht wieder aufgesucht hat. Neugebauer nähert sich deren Person, auch Persönlichkeit und Herkunft multimedial an und nutzt dafür die zwei Etagen des Hauses als Bühne: Im Erdgeschoss bewegen sich in lichtlosem Raum zwei schwarze, identisch anmutende Röcke asynchron in verschiedenen Tempi der titelgebenden (Ballett-)Figur „en l’air – à terre“ auf und ab. Aus den Röcken strahlen Lichtkreise, deren Kegel sich nach oben hin erweitern und nach unten hin verjüngen, um beim Aufsetzen der Kleidungsstücke gänzlich zu verschwinden, so dass der Raum in gewissen Momenten lichtlos schweigt – nur kurz, dann setzt sich das gleiche/ungleiche Paar wieder in Bewegung, beginnt den gravitätischen Lichttanz von neuem.

Den engen Aufstieg in das obere Stockwerk bekleiden und begleiten Wortkaskaden, genauer: Titel der zu erwartenden Arbeiten. Vogelgezwitscher und Stimmen rücken näher. Der Raum öffnet als Kaleidoskop, die einzelnen Exponate bilden im Zusammenspiel requisitenähnlich einen assoziativen Erinnerungsparcours. Die beiden Gesprächsaufnahmen, die Filmporträts von „Bogumila“ und „Felicja“, die im Treppenhaus anklangen, erzählen von deren eigener Umsiedlung aus der Ukraine Anfang der 1950er Jahre… Ihre Erinnerungen erzeugen zusammen mit dem „Naturkonzert“ der drei „Videofenster“ „Dorf“, „Friedhof“ und „Mohn“ und dem Rauschen eines Ventilators einen gedämpft pulsierenden Resonanzraum – bildlich wird die dörfliche Umgebung performativ durchschritten und historisch eingefangen, der schwarze Rock, dem wir dabei durch die mohnroten Felder folgen, stellt sich modellartig in den Weg, lässt uns beim Blick von oben ins Bodenlose, quasi durch die Decke in die Dunkelheit des Erdgeschosses schauen und tritt in Korrespondenz mit seinen voluminös auf- und niederfahrenden „Geschwistern“.

Eine Baumscheibe der just gefällten Friedhofskastanie dient als Zeitachse; dem zunächst naturwissenschaftlich anmutende Exponat wird durch exakte Fixierung über mäandernde Nadeln das Fluchtjahr rot eingeprägt und möchte über den „Jahresring 1945“, der keinen Kreis formt, Orientierung anbieten, doch gegenüber im Saal schwebt unstet das historische Foto einer jungen Frau im Ruderboot – die Mutter der Künstlerin –, fluide projiziert im Raum. Statik und Bewegung, Fort- und Rückschreiten vermeiden ein Festlegen, legen aber die Bezüge der Ereignisse bzw. Erscheinungen offen und sind auch hier Elemente, die der Vielschichtigkeit des Themas Rechnung tragen.

Neugebauer gelingt es mit „schwarzer Schnee“, den subjektiven Zugang dieser intimen Recherche in eine universelle, überprivate, zeitlos aktuelle Inszenierung zu transponieren. Mit ihrem ästhetischen Vokabular konfrontiert sie das Publikum mit konkreten Fragen zu den Folgen von Flucht und Vertreibung, den damit einhergehenden körperlichen wie seelischen Versehrungen auch nachkommender Generationen, aber auch mit der Idee von Familie, von Zugehörigkeit bis hin zur Selbstermächtigung allgemein. Die Künstlerin erschafft durch die Konstellation der Werke, deren fragmentierter Körperlichkeit, durch Multimedialität und materielle Heterogenität das Paradox eines ephemeren Erinnerungsortes, überführt den Kunstraum München in ein transitorisches Memorial, das sowohl sinnlich-intuitiv, aber eben auch intellektuell fordert und die Fortschreibung eigener Erfahrungen zulässt.

Ursula Neugebauer hat exklusiv für den Kunstraum die Edition „Meer ohne Horizont“ (Auflage: 12, Gravur in Glas, 29,7 x 21 cm, 2024) produziert, die während der Ausstellungszeit zum Subskriptionspreis von € 310,- (regulär: € 350,-) erworben werden kann. Zum Ende der Ausstellung legt die Künstlerin mit der gleichnamigen Publikation „Meer ohne Horizont“ (Verlag für moderne Kunst, Wien 2024) einen umfänglichen, von Cem Koc gestalteten Katalog vor, der neben „schwarzer Schnee“ vier weitere Projekte Neugebauers mit begleitenden Texten von Gerda Ridler, Matthias Reichelt und Alexander García Düttmann vorstellt.

Ursula Neugebauer (*1960) studierte Bildende Kunst an der Kunstakademie Münster sowie Literaturwissenschaften an der Westfälischen Wilhelms-Universität. Sie unterrichtete zunächst als Studienrätin und arbeitete anschließend als Kunsttherapeutin an der Universitätsklinik Münster. Nach dreijähriger Dozentur am Fachbereich Architektur der Technischen Universität Berlin lehrt sie seit 2003 als Professorin an der Universität der Künste Berlin. Zahlreiche nationale wie internationale Ausstellungen, Projekte und Beteiligungen, 2023 im Kunstraum Villa Friede, Bonn,
am Unique Art Center, Chengdu, China, im Q21 showrooms, MQ, Wien und auf der Chengdu Biennale, China.

Foto: Thomas Splett

Vorstellung der Kunstraum Archiv-Datenbank 

Der Kunstraum München hat im Jahr 2022 den Grundstein für sein stetig wachsendes digitales Archiv gelegt. Zum 50. Jubiläum des Kunstraum löst eine Datenbank die bisherige Online-Dokumentation von Ausstellungen, Veranstaltungen, Publikationen und Editionen in einer Blog-Struktur ab. Die datenbankbasierte Ordnung und Ablage ermöglicht es, Querverbindungen sichtbar und auch zugehörige Dokumente wie Einladungskarten, Pressemitteilungen oder andere Archivalien zugänglich zu machen.

Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums 2023 geht die Datenbank online und wird im laufenden Jahr und in Zukunft kontinuierlich befüllt und erweitert.  Sie schafft so einen tieferen Einblick in die Geschichte der Institution für die interessierte Öffentlichkeit ebenso wie für die Mitglieder und ein gezielt forschendes Fachpublikum. 

Das Projekt des Digitalen Archivs wird gefördert durch die Kulturstiftung der Länder, die Stiftung Kunstfonds und NEUSTART KULTUR aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.