Stephanie Stein RUN RUN RUN

Für ihre Einzelausstellung RUN RUN RUN im Kunstraum München konzipiert die Künstlerin eine neue Serie ortsspezifischer Werke. Glas, Metall, Holz, von Hand aufgetragene Farboberflächen,Siebdruck, fotografische und typographische Manipulation sowie Bewegtbild bilden den Pool, auf den Stephanie Stein zurückgreift. Wie zeitüberdauernde Zeichen erinnern die sehr reduzierten Werke an architektonische Fragmente, Sprachräume oder Naturphänomene und lassen Assoziationen zu anthropologischen und naturgeschichtlichen Themenfeldern zu. Dabei geht es ihr um die wiederkehrenden Mechanismen von Macht und Gewalt – wie sich diese in gesellschaftlichen und politischen Strukturen manifestieren und inwiefern sie sich auf den Menschen und die Naturauswirken.

Der Schriftzug RUN eröffnet die Ausstellung. Klar steht er in schwarzen Lettern vor dem Ausschnitt einer historischen Bruchsteinwand mit einem fragmentierten Regenfallrohr. Die hier verwendete Serifenschrift entstammt der um 1900 entwickelten Century-Schriftfamilie und wird bis heute vom Supreme Court der USA für alle offiziellen Dokumente, wie Urteile oder Gesetzestexte, verwendet wird. Im künstlerischen Kontext wirft sie die Frage auf, wie sich Macht langfristig manifestiert, wie sich Hierarchien etablieren und kommunizieren lassen oder, mit Blick auf die Mauerfragmente, welche Rolle dabei Gebäuden zukommt, die für eine Ewigkeit bestimmt sind.

Besonders deutlich wird dieser Ansatz in den beiden jüngsten Rauminstallationen, die erstmals im Kunstraum München zu sehen sind: Im Ergeschoss scheinen einzelne Glasobjekte der jüngsten Arbeit Conitinuous Interest (2024) wie zarte, transparente Nadeln vertikal im Raum zu „schweben“, die Köpfe nach oben gestreckt, die länglichen, spitzen Körper gen Boden gerichtet. Diese organischen Gebilde wirken äußerst zerbrechlich und zugleich scharf, spitz und zu invasiven Nadelstichen fähig. Die Künstlerin ordet ihnen die Fotografie eines umgestürzten Baumes, uninterested (2024), zu, der natürlich gewachsene horizontale Bögen gebildet hat.

Im Obergeschoss schweben scherenschnittartige, äußerst fragile Vertikalen als überlebensgroße Raumzeichnungen knapp über dem Boden. Wie Arkaden, reduziert auf ihre minimalste Form, definieren sie den Raum und die Bewegungsmöglichkeiten der Betrachtenden neu. Als formale Referenzen erinnern sie einerseits an Bauten der Antike, andererseits an Herrschaftsarchitekturen der jüngeren Geschichte, die Erhabenheit und Macht demonstrieren sollen. Und auch der Titel dieser ortsspezifischen Arbeit Far From Hot Baths (2024) erinnert an ein antikes Epos, das Stephanie Steins zentrales Thema der Macht, aber auch der Wut und des Krieges behandelt – die Ilias. Die Künstlerin entlehnte ihn Simone Weils Text The Iliad or the Poem of Force (1939).

Stephanie Stein gelingt es durch minimale Verschiebungen oder ästhetische Entscheidungen umfangreiche Bedeutungsfelder zu öffnen, die ihr in der literarischen, historischen und kunsthistorischen Recherche begegnet sind. Das, was vordergründig ästhetisch schön und zugleich sehr zurückhaltend, fast unsichtbar scheint, offenbart bei näherer Betrachtung, wie eine strukturell bedingte Gewalt- oder Machtverteilung die Beziehungen zwischen Individuen, spezifischen gesellschaftlichen Gruppierungen und einer staatlichen Autorität prägt und wo die Bruchstellen dieser Systeme liegen. Durch ein solch subtile Geste – die Verwendung der bis heute durch den Supreme Court genutzten Century Schrift – wird auch der Ausstellungstitel RUN RUN RUN mehr und mehr zu einem beunruhigenden und warnenden Aufruf zur Flucht. Er bleibt zwar unbestimmt, aber nicht weniger eindringlich.

Stephanie Stein lebt und arbeitet in Berlin. Ihre Werke waren in Gruppenausstellungen u. a. im KW Institute for Contemporary Art, Berlin, im Folkwang Museum Essen und im Museum Morsbroich in Leverkusen zu sehen und sind in internationalen Sammlungen, wie der Morris and Helen Belkin Art Gallery in Vancouver vertreten. Der Kunstraum München richtet Stephanie Steins zweite institutionelle Einzelausstellung aus.

Anlässlich der Ausstellung entsteht die erste umfangreiche Publikation zu ihrem Werk mit Texten von Nils Emmerichs, Alessa Rather, Friederike Schuler und Marcus Steinweg, die der Kunstraum zum Abschluss der Ausstellung am 2. März 2024 um 16 Uhr präsentieren wird.

Außerdem erscheint der Siebdruck RUN als Edition der Künstlerin.

Finissage und Buchpräsentation
Samstag, 2. März 2024, 16:00 Uhr

Kuratorische Präsenz
Sonntag, 3. März 2024, ab 14:00 Uhr

Die Ausstellung wird gefördert durch die Steiner-Stiftung München und die Richard Stury Stiftung.

For her solo exhibition RUN RUN RUN at Kunstraum München, the artist has conceived a new series of site-specific works. Glass, metal, wood, hand-applied paint surfaces, screen printing, photographic and typographic manipulation as well as moving images form the pool that Stephanie Stein draws on. Like timeless signs, the works are reminiscent of architectural fragments, linguistic spaces or natural phenomena and allow associations with anthropological and natural history themes. The recurring mechanisms of power and violence are her main interest – how these manifest themselves in social and political structures and the extent to which they affect people and nature.

The lettering „RUN“ opens the exhibition. It stands clearly in black letters in front of a section of a historic quarry stone wall with a fragmented downpipe. The serif font used here comes from the Century typeface family developed around 1900, which – originally developed for school textbooks – is today still in use by the US Supreme Court for all kind of official documents, such as judgments and legal texts. In an artistic context, it raises the question of how power manifests itself in the long term, how hierarchies can be established and communicated or what role is played by buildings that are destined to last forever.

This approach is particularly evident in the two latest spatial installations, which can be seen for the first time at Kunstraum München: In the first space individual glass objects of the latest work Conitinuous Interest (2024) seem to „float“ vertically in the room like delicate, transparent needles, their heads stretched upwards, their elongated, pointed bodies pointing towards the floor. These organic pieces seem quite fragile, but also sharp, pointed and capable of invasive pinpricks. The artist associates them with a photograph of a fallen tree, uninterested (2024), which has formed naturally grown horizontal arches.

On the upper floor silhouette-like, extremely fragile verticals float as larger-than life spatial drawings just above the ground. Like arcades, reduced to their most minimal form, they redefine the space and the viewer’s possibilities for movement. As formal references they reminiscent of buildings from antiquity on the one hand, and of stately architecture from more recent history on the other, intended to demonstrate grandeur and power. And also the title Far From Hot Baths of this site specific piece recalls an antique Epos dealing with Stephanie Steins central theme of power, but also anger and war– the Ilias. The artist borrowed it from Simone Weil’s text The Iliad or the Poem of Force (1939).

Through minimal shifts or aesthetic decisions, Stephanie Stein succeeds in opening up extensive fields of meaning that she has encountered in her literary, historical and art-historical research. What apparentely seems aesthetically beautiful and at the same time very restrained, almost invisible, reveals on closer inspection how a structurally determined distribution of violence or power shapes the relationships between individuals, specific social groups and a state authority – and where the breaking points of these systems lie.

Through such a subtle gesture – the use of the Century font still used by the Supreme Court today – the exhibition title RUN RUN RUN becomes more and more a disturbing and warning call to flee. It remains vague, but no less insistent.

Stephanie Stein lives and works in Berlin. Her works have been shown in group exhibitions at KW Institute for Contemporary Art, Berlin, Folkwang Museum Essen and Museum Morsbroich in Leverkusen, among others, and are represented in international collections such as the Morris and Helen Belkin Art Gallery in Vancouver. Kunstraum München is showing Stephanie Stein’s second institutional solo exhibition.

On the occasion of the exhibition, the first comprehensive publication on her work with texts by Nils Emmerichs, Alessa Rather, Friederike Schuler and Marcus Steinweg is published and will be presented at the end of the exhibition on March 2, 2024 at 4 pm.

Furthermore the silkscreen print RUN is published as an edition of 10.

Finissage and book presentation
Saturday, March 2, 2024

[Lange Nacht der Münchner Museen] Videoscreening

Wir möchten Sie herzlich zur Langen Nacht der Münchner Museen einladen!
Zu diesem Anlass bieten wir Ihnen noch einmal exklusiv die Möglichkeit, die Videoarbeit „THE MAELSTRÖM“ (Dauer 30 Min.) zu sehen. Diese „eindringliche Videoarbeit zum Thema Migration“ (SZ, 6. Oktober 2023) von Santiago Sierra wird während der Langen Nacht ab 18 Uhr immer zur vollen Stunde gezeigt, das letzte Mal um 23 Uhr.

[Gespräch] Künstlergespräch mit Franz Erhard Walther


Am Samstag, den 7. Oktober 2023, um 19:00 Uhr laden wir herzlich zum Künstlergespräch mit Franz Erhard Walther ein.

Am Sonntag, den 8. Oktober finden von 15–16 Uhr zuerst am Haus der Kunst (auf der Terrasse) und danach von 16:30–17:30 Uhr im Kunstraum Aktivierungen in Anwesenheit des Künstlers statt.

Franz Erhard Walther hat bereits durch Ausstellungen in den Jahren 1976 und 1982 in der Frühzeit des Kunstraum München die Geschichte des Ortes geprägt. An zwei Orten (Haus der Kunst und Kunstraum) werden nacheinander in Anwesenheit des Künstlers Aktivierungen von ausgewählten Objekten durch unterschiedliche Personengruppen vorgenommen. Insbesondere sind auch geflüchtete Personen dazu eingeladen, sich an den Aktivierungen zu beteiligen. Aber auch alle Besucher:innen haben die Möglichkeit, mit den aus Baumwollstoff gefertigten Objekten zu agieren und in der Handlung Teil des Werkes zu werden. Die Werke von Franz Erhard Walther (1939 geboren in Fulda) zeichnen sich durch ihre klare und miminalistische Formensprache aus, die die Betrachter:innen dazu einlädt, sich aktiv mit ihnen auseinandertzsetzen.

Im Kunstraum ist zudem das 30-minütige Video zu einer neuen Arbeit von Santiago Sierra („The Maelström“, 2023) zu sehen.

[Vortrag] VariaVision – Unendliche Fahrt und das Siemens-Studio für elektronische Musik, mit Michaela Melián

Michaela Melián, Künstlerin, Musikerin und Mitgründerin der Band F.S.K., realisierte mit ihren Videoinstallationen „Speicher“ und „Rückspiegel“ (beide 2008) eine Hommage an das verschollene Multimedia-Kunstwerk „VariaVision – Unendliche Fahrt“ von Alexander Kluge, Edgar Reitz und Josef Anton Riedl. Die für die Internationale Verkehrsausstellung 1965 in München entstandene Rauminstallation zum Thema Reisen bot eine neue Form der gleichzeitigen Wahrnehmung von Film, Musik und Sprache. Meliáns Vortrag gibt Einblick in ihre Recherchen im Archiv der HFG Ulm, erzählt die Geschichte des Siemens-Studio für elektronische Musik, in dem „VariaVision“ vertont wurde, und geht anhand von Interviewausschnitten mit Kluge, Reitz, Riedl sowie dem Künstler Kurd Alsleben und dem Toningenieur Hansjörg Wicha den audiovisuellen Utopien der 1960er Jahre nach. Des Weiteren spielt sie eigene Musikstücke vor, die auf Klängen basieren, die sie im Siemens-Studio, das sich seit 1994 in der Dauerausstellung des Deutschen Museums befindet, für den Soundtrack von „Speicher“ produzierte.

Im Rahmen der Ausstellung:

Studio Stadt. Peripherien elektronischer Musik
15. Juni – 23. Juli 2023

Jubiläumsedition

Ein Mappenwerk in begrenzter Auflagenhöhe mit Editionen der Künstler:innen, die im Jubiläumsjahr 2023 im Kunstraum ausgestellt haben, mit Ergänzungen um weitere Positionen vergangener Jahre.

mit Blättern von:

Michael von Biel, Isaac Chong Wai, Julia Gaisbacher, Lisa Hofmann, Michaela Melián, Christine Sun Kim & Thomas Mader, Santiago Sierra, Rosemarie Trockel, Timm Ulrichs

Editionsschuber: Joseph Maurus Wandinger

Seit jeher bieten wir unseren Mitgliedern und allen, die es gerne werden möchten, durch unsere Editionen die besondere Gelegenheit, Werke von ausstellenden Künstler:innen zu erwerben. Nach dem Jubiläumsprogramm 2023, mit dem wir das 50-jährige Bestehen des Kunstraum München gefeiert haben, freuen wir uns nun, eine exklusive Jubiläumsedition präsentieren zu können. Für diese Edition konnten wir Künstler:innen gewinnen, die entweder vor einem Jahr bei uns ausgestellt haben oder deren Arbeiten und Projekte über die letzten fünf Jahrzehnte bei uns gezeigt wurden. Hierzu gehören Michael von Biel, Isaac Chong Wai, Julia Gaisbacher, Lisa Hofmann, Michaela Melián, Christine Sun Kim & Thomas Mader, Santiago Sierra, Rosemarie Trockel und Timm Ulrichs. Gestaltet wird der Editionsschuber von Joseph Maurus Wandinger.

Kuratiert von Alexander Steig mit Unterstützung des Kr.-Vorstandes und Friederike Schuler

[Vortrag / Diskussion] Helle Fabrik, Dunkelkammer Produktion, mit Jochen Becker

Folgt man dem Philosophen und Künstler Daniel Rubinstein, so befinden wir uns in einer „Repräsentationsdämmerung“: Die Fotografie ist nicht mehr das Medium des Sichtbaren, sondern des Sichtbarmachens von Unsehbaren. Mehr dazu am kommenden Mittwoch.

Jochen Becker, Autor, Kurator, Dozent und Mitbegründer von metroZones | Center for Urban Affairs sowie der station urbaner kulturen der neuen Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK) Berlin. Er gab zahlreiche diskursprägende Publikationen heraus, darunter Bignes? Size does matter. Image, Politik. Städtisches Handeln. Kritik der unternehmerischen Stadt (b_books 2001) oder Kabul/Teheran 1979ff (2006 zus. mit Madeleine Bernstorff und Sandra Schäfer). Becker war künstlerischer Leiter des Global Prayers-Projekts am Berliner Haus der Kulturen der Welt. Für das Düsseldorfer Theater FFT entwickelte er das Projekt Stadt als Fabrik sowie Place Internationale (2017-21). URL: metrozones.info

Im Rahmen der Ausstellung:

Studio Stadt. Peripherien elektronischer Musik
15. Juni – 23. Juli 2023

Sandra Hauser Joseph Maurus Wandinger Sommeratelier 2023

Dieses Jahr bietet der Kunstraum sein Ober- und Erdgeschoss in Anlehnung an das Jubiläumsprogramm zwei Gästen gleichzeitig als Sommeratelier an. Das mittlerweile traditionelle Format ermöglicht es lokal agierenden Künstler:innen, den Kunstraum München während seiner Sommerpause als Arbeitsraum zu nutzen. Zum Ende der einmonatigen Residenz findet ein Open Studio statt.

Sandra Hauser, begabt mit dem Talent des Pferdeflüsterns und seit ihrem dritten Lebensjahr reitend, beschloss 2019 ihre persönliche Affinität zu diesen Tieren in ihrer künstlerischen Praxis zu nutzen. Seitdem ist sie in die Entwicklung des Langzeitprojekts »I Would Prefer Not To« vertieft. Nachdem sich Sandra Hauser und ihr Pferd Don Orèo ein Jahr lang gegenseitig trainiert haben, sind sie seit 2022 gemeinsam in Europa unterwegs auf der Suche nach innerer Freiheit, Abenteuer und Abstraktion im Alltag. Nach Brüssel und Wien begeben sie sich in der dritten Episode in München auf die Spuren nach Hausers Herkunft, werden Teil des »The Wolpertinger Project« von Gabi Blum (Public Art München) und verlieren sich auf dem langen Weg nach Sacramento wie einst Zorro, Gringo und Zapata in Münchener G’schichten von Helmut Dietl. Der Arbeitsaufenthalt im Sommeratelier des Kunstraum München begleitet den gesamten Aufenthalt im August 2023.

Abbildungen 1–3: „I Would Prefer Not To – Episode III Münchner G’schichtn“, Raumaktivierung Kunstraum, Fotos: Edward Beierle, 2023
Abbildungen 4 und 5: „I Would Prefer Not To – Episode III Münchner G’schichtn“, Performance on the long way to Sacramento, öffentlicher Raum Bezirk Schwabing-Freimann, Fotos: Leonie Felle, 2023
Foto: Christoph Wandinger, Moskau, 1987

Joseph Wandingers künstlerische Praxis ist multidisziplinär ausgerichtet: Von einer Ausbildung als Zupfinstrumentenmacher kam er über ein Studium als Gestalter im Handwerk an der Akademie für Gestaltung und Design in München zur Bildhauerei an der Akademie der bildenden Künste, die er 2022 als Meisterschüler bei Gerry Bibby abschloss. Im selben Jahr gründete er die SOSOSO Galerie, einen Projekt- und Ausstellungsraum in Sendling. Sein Aufenthalt im Sommeratelier knüpft an vorhergehende Auseinandersetzungen mit dem Format der Edition als Werkgruppe an und umfasst (gefundene) Objekte: beispielsweise eine Fotografie, aufgenommen vom Vater des Künstlers und weitere Formen, die schon länger auf Bearbeitung warten. Unter dem Titel »depends on whom you ask« werden Arbeiten entstehen und abgeschlossen, die auf erzählte und geformte Wahrheiten aus dem Umfeld des Künstlers blicken. Wie werden Fakten und Beweise für Interessen benutzt, verschoben oder überlagert? Was bleibt als Darstellung haften?

[Gespräch] Ein Gespräch zwischen Lisa Hofmann und Olaf Metzel, moderiert von Kea Wienand.

Inszenierte Bildräume und Raumbilder zwischen An- und Enteignung, Ab- und Anwesenheit – laute und leise Gesten, die sich auf Augenhöhe begegnen: 40 Jahre liegen sowohl zwischen den gezeigten Arbeiten als auch zwischen Lisa Hofmann und Olaf Metzel, deren Medialisierungen ungleicher nicht sein könnten. Und doch formulieren sie aus ihrer Zeit heraus unmissverständliche Haltungen: explizite Kommentare und deutliche Zeichen, die fernab glatt geschliffener oder teilnahmsloser Erinnerungskultur lebendige Arbeit an der Gegenwart leisten.

Die im Dialog stehenden Widersprüche der jeweils unterschiedlichen ästhetischen Ansätze, Narrative und Strategien eröffnen ein mediales und performatives Wechselspiel auf visueller wie konzeptioneller Ebene: Filmische Dispositive und Spurensicherungen, die urbane Realitäten sichtbar machen und nicht mit Projektionen enden, sondern als Medium der Reflexion brennende Fragen adressieren, dekonstruieren und uns – dem Publikum – einen Spiegel vorhalten.

Wir freuen uns sehr, dazu begrüßen zu dürfen:

Dr. Kea Wienand, Kunst- und Kulturwissenschaftlerin, Dozentin am Institut für Kunst und visuelle Kultur der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.
Die Schwerpunkte ihrer Forschung und Lehre liegen in den Bereichen Kunst und Medien-/Kultur des 20. und 21. Jahrhunderts, insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland, Post-/dekoloniale Studien und Transkulturalität, Gender Studies und queerfeministische Kunstwissenschaft, Künstlermythen und Erinnerungskulturen.
Seit 2013 ist sie Mitherausgeberin der online-Zeitschrift FKW// Zeitschrift für Geschlechterforschung und visuelle Kultur, http://www.fkw-journal.de
Gastprofessuren und Lehraufträge an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg, Universität Konstanz und Wien sowie der Hochschule für Künste Bremen. Kunstvermittlerin an verschiedenen Institutionen, u.a. documenta 12, Kassel, sowie Mitorganisatorin diverser Symposien, u.a. ReSaVoir. Bilder im Spannungsfeld von Kultur, Politik und Erinnerung an der Universität Oldenburg.

[Vortrag]Gürsoy Doğtaş: »Interieur – im Wohnzimmer der Arbeitsmigrant:innen aus der Türkei«

In einer spektakulären künstlerischen Aktion „raubt“ der Künstler Ulay am 12. Dezember 1976 das Gemälde „Der arme Poet“ von Carl Spitzweg aus der Neuen Nationalgalerie (West-Berlin) und deponiert es in der Wohnung einer Familie aus der Türkei. Mit dieser Aktion wollte er auf die prekäre Lebenssituation der Arbeitsmigrant:innen aus der Türkei aufmerksam machen, wird der Künstler später sagen. Allerdings bleibt die Familie nur ein passives Element seiner Aktion. Der Vortrag erforscht, wie die Wohnungen der Arbeitsmigrant:innen von selbst gut gemeinten Kunstaktionen zu zweifelhaften Projektionsflächen wurden.
 
Gürsoy Doğtaş, Kunsthistoriker, arbeitet parakuratorisch an den Schnittpunkten von Institutionskritik, strukturellem Rassismus und Queerstudies. Neben vielen Ausstellungen verantwortete er Gurbette Kalmak / Bleiben in der Fremde (2023) im Taxispalais Innsbruck, The kültüř gemma! issue des Parabol Art Magazines (2021) und ko-kuratierte das Symposium Das Recht auf Erinnern und die Realität der Städte in Nürnberg (2021).
 
Im Anschluss daran freuen wir uns, Sie zu einer Führung durch die Ausstellung “Lisa Hofmann / Olaf Metzel” begrüßen zu dürfen:
 
Unterschiedliche Gesten und Reflexionen, die allgegenwärtige Ausgrenzungsmechanismen und unsere Verstrickung darin vor Augen führen – Sinfonien der Großstadt, true stories, die leider auf wahren Begebenheiten beruhen…
 
Gemeinsam mit den Kunsthistorikerinnen Ambra Frank und Luise Horn können Sie einen Blick hinter die Kulissen werfen, um historische wie aktuelle, ästhetische wie soziopolitische Hinter- und Beweggründe der Positionen der Ausstellung zu beleuchten. Die Führung vertieft Themen wie Medialisierungsformen der beiden gezeigten Werkkomplexe, das Aufzeigen von Grenzen zwischen öffentlichen und privaten Handlungsräumen sowie performative Potenziale und Visualisierungen der unterschiedlich gelagerten Arbeitsprozesse.

Weitere Informationen zu Ambra Franks und Luise Horns Forschungsschwerpunkten und Tätigkeitsfeldern: https://www.kunstraum-muenchen.de/verein/

[Buchvorstellung und Gespräch] Albert Coers – Books to Do

Den Künstler Albert Coers treiben Bild und Text, Bücher als Material und Medium um, so dass neben einem plastisch-konzeptionellen Umgang auch Künstlerbücher und -hefte einen großen Anteil seines Schaffens ausmachen.

Im Kunstraum stellt er nun seine jüngstes, zusammen mit dem Künstler und Grafiker Andreas Koch gestaltetes Werk „Books to Do“ (Hatje Cantz, 2022) vor, das sein Interesse an diesem Medium widerspiegelt. Es ist keine übliche Werkmonografie, sondern ein Meta-Buch über seine bisherigen wie auch noch zu realisierenden Buchprojekte – in Form einer To-do-Liste; die Fülle an Ideen überrascht und macht Freude beim Lesen und Betrachten. Es lebe die Buchkunst!

Albert Coers und Alexander Steig sprechen an diesem Abend über das Buch „Books to Do“ und die Buchprojekte, die es noch umzusetzen gilt. „Books to Do“ kann anlässlich der Vorstellung signiert und ermäßigt (€ 30,00) erworben werden.

Gefördert durch die Stiftung Kunstfonds, die Prinzregent-Luitpold-Stiftung und Rischart.